
Was ist ein Kontext?
Ein Kontext im Sinne des Moduls ist ein Anwendungsbereich der Informatik.
Verschiedene Anwendungsbereiche können sich stark unterscheiden und sind nicht immer klar voneinander trennbar. Einige Beispiele für Kontexte sind:
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Die Gesellschaft
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Organisationen
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Geschäftsmodelle
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Geschäftsprozesse
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Dienstleistungen
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Individuen
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Informatik als Kontext: Organisation
Auch die Informatik selbst kann ein eigener Kontext sein. Besonders die Entwicklung und Wartung von spezialisierten IT-Systemen wie Servern fällt in diesen Bereich. (BMW Group IT betreut mit ca. 3000 Mitarbeitern)
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IT-Infrastruktur (Server, Anschlüsse etc.)
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200.000 Netzwerkanschlüsse
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90.000 unterstützte Endgeräte
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Globales redundantes Highspeed Netzwerk
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Warum ist der Kontext für die Informatik wichtig?

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neue technische Möglichkeiten
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z.B. IT-Bereiche in Unternehmen
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neue Erfindungen
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vgl. Studienfächer wie Mensch-Computer-Interaktion, die im Vergleich zu Informatik zunehmen
In der Informatik ist es kritisch einen Kontext zu verstehen, um dafür ein System zu entwickeln. Das Verständnis des Kontextes wirkt sich direkt auf die Funktionalität, Arbeitsplätze etc. aus.
Wie verstehe ich einen Kontext?

Um einen Kontext zu verstehen, muss man sich verschiedene Fragen stellen:
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Wer ist der Anwender?
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Wer ist der Auftraggeber?
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Was will der Anwender (Wie kommuniziert man mit dem Anwender)?
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Wissen über die Unternehmensarchitektur
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Aneignung des Fachwissens/ gewisses Methodenrepertoire
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Modellierung
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In manchen Kontexten kann von Vorteil sein, sich nur relativ schnell in neue Kontexte einzuarbeiten ohne sich zu spezialisieren.
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In anderen Kontexten (wie zum Beispiel in der Wissenschaft) ist spezialisiertes Wissen hilfreich oder erforderlich.
Modellierung

Bei der Modellierung geht es darum , die Grenzen für das geplante System festzulegen. Idealerweise wird dies vom zwischen dem Kontext (dem Auftraggeber) und der Informatik in ständiger Kooperation entwickelt. Die Modellierung kann in folgenden Schritten modellhaft zusammengefasst werden:
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Die Informatik entwickelt ein Design
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Rekontextualisieren: Das System wird in den Kontext eingeführt (z.B. im Zuge einer Wartung)
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Dekontextualisieren: Die Informatik analysiert das System (z.B. mithilfe von Modellen), um Probleme und Verbesserungen zu finden
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Eigentlich benötigt jede dieser Informatik-Kontext-Zyklen ein eigenes Team, das das entsprechende Wissen aus der IT und dem Kontext hat.
Da solche Systeme oft sehr umfangreich sein können, ist es häufig nötig Priorisierungen einzuführen. Für die Priorisierungen müssen die verschiedenen Interessenlagen abgewägt werden.

Rekontextualisieren:
Herausgenommenen Kontext in den ursprünglichen Kontext wieder einführen, nachdem analysiert und getestet wurde.
Dekontextualisieren:
Etwas aus dem Kontext herausnehmen und diese verstehen, analysieren und modellieren.
Priorisieren:
Es müssen Prioritäten gesetzt werden.
Informatik im Kontext: Die Gesundheitskarte
Die Idee hinter der Gesundheitskarte war ursprünglich:
verschiedene Prozesse im Gesundheitswesen durch den Einsatz neuer Technik zu optimieren.
sicheren und unproblematischen Austausch medizinischer Daten
elektronische Gesundheitskarte = Schlüssel der PatientInnen > Zugang zur Telematikinfrastruktur und damit für den Zugriff auf die Behandlung relevanter Daten.
Gesundheitswesen Kontext mit vielen unterschiedlichen Interessen:
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Geplante Einführung der elektronischen Gesundheitskarte gem. §291 SGB V: 01.01.2006
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Tatsächliche Einführung: 2012 (in einer reduzierten Form – zunächst nur offline)
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Ursachen: u.a. unterschiedliche Interessenslagen der beteiligten Akteure
Besonders der Datenaustausch zwischen verschiedenen medizinischen Instanzen (Arzt, Apotheke, ...) sollte vereinfacht werden. In der Modellierungsphase für die Gesundheitskarte kam es jedoch zu massiven Interessenkonflikten:
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Bekommen Ärzte für das Speichern von Notfalldaten eine Vergütung?
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Notfalldaten (z. B. Allergien, Arzneimittelunverträglichkeiten) müssen auf die el. Gesundheitskarte gespeichert werden. Dies kann bzw. darf nur der Arzt/die Ärztin machen.
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Muss der Arzt die Daten der Patientenkarte vor der Behandlung vollständig einsehen?
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Ein Patient kommt mit einer elektronischen Patientenakte als Notfall in ein Krankenhaus. Diese Akte beinhalte die Behandlungsdaten der letzten zehn Jahre.
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Was müssen Mediziner erkennen können?
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Kann ein System für ein eRezept eingeführt werden?
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Können verschiedene Leistungsträger mithilfe der Karte die Kommunikation untereinander verbessern?
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Unterschiedliche Interessen (z.B.)
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Krankenkassen: eRezept (Kommunikation Patient - Apotheke - Abrechnung – Zeitaufwand für elektonische Signatur des verschreibenden Arztes, Stapelsignatur?)
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Ärzte: Kommunikation zwischen Leistungsträger
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Neue Prioritäten und Verantwortlichkeiten (2011)
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GKV-Spitzenverband: Einführung eines online gestützten Versichertenstammdatenmanagements (wie Krankenkassenkarte)
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Bundesärztekammer: Einführung eines Notfalldatensatzes auf der eGK
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Kassenärztliche Bundesvereinigung: Kommunikation der Leistungserbringer
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Um IT sinnvoll in der Medizin einzusetzen, ist eine enge Zusammenarbeit von Medizinern und Informatikern erforderlich
Informatik im Kontext: Service
IT ermöglicht innovative Serviceangebote
Packstationen mTan-Prinzip
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Kontext und Informationstechnik
Was war vorhanden?
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Steigerung im E-Commerce führt zu Steigerung der Logistik / des Paketversands
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Wunsch: Pakete 24 Stunden, 7 Tage die Woche bekommen bzw. abholen zu können
Aufbau von Paketstationen
Was sind die Konsequenzen?
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Übertragung von Prozessschritten auf Kunden
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Nutzung der Kunden als explizite betriebliche Wertquelle
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Entgrenzung von „Arbeit“ und „Leben“
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Logistik-Unternehmen können ggf. Personal einsparen
Informatik im Kontext: Geschäftsmodell
Algorithmen und IT-Systeme ermöglichen neue Geschäftsmodelle und erschaffen einen neuen digitalen Kontext
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Basis: Google-Suche
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PageRank-Algorithmus und Serverfarm
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Verfahren zur Bewertung von verlinkten Webseiten
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Eine Webseite ist umso bedeutender, je mehr Webseiten (mit möglichst hoher eigener Bedeutung) auf diese Webseite verweisen.
Algorithmen und IT-Systeme schaffen neue Geschäftsmodelle
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Produkt- und Leistungsversprechen: Google-Suche
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Gewinn: Werbung durch bezahlte Einblendung bei Suchergebnissen etc.
Informatik im Kontext: Digitaler vs Klassischer Kontext
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Neue Angebote im Digitalen verändern den klassischen Kontext: Wer kauft heute noch ein Lexikon in Buchform?
Informatik im Kontext: Gesellschaft
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Digitalisierung der Kultur: Vom Vinyl zum Streaming
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Digitalisierung der Kultur: Musik im Wert von 1,2 Mrd. GBP wurde in Großbritannien 2010 illegal heruntergeladen
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Digitalisierung der Kultur: Neue Geschäftsmodelle
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Musikstreaming (Music as a service)
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serverbasiertes Streaming und Peer-to-PeerTechnologie (P2P)
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Monatliche Grundgebühr oder Werbeeinblendung
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Informatik im Kontext: Gesellschaft / rechtliche Aspekte
Digitalisierung der Kultur, neues mögliches Gesellschäftskonzept: Kulturflatrate
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Konzept zur digitalen Verfügbarmachung von Kulturgütern im World Wide Web
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Gesetzlich geregelte (monatliche) Pauschalabgabe
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Verteilung der Abgabe an die Rechteinhaber
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Intensive gesellschaftliche Diskussion des Konzepts
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Angelehnt an das Konzept der Privatkopie
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Änderung des Urheberrechtsgesetzes?
Informatik im Kontext: Verzahnung der Kontexte
Smartphones & Tablets verändern Individuen, Organisationen und Gesellschaft
Was war vorhanden?
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Technische Voraussetzungen
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vorhandene UMTS-Mobilfunknetze (bisher ohne „Killerapplikation“?)
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Touch-Displays
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kleine und leichte Akkus
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Bedarf an mobiler Internetnutzung bisher offenbar wegen unzureichender Endgeräte nicht ausreichend gedeckt
Was sind die Konsequenzen?
Smartphones & Tablets haben zu Veränderungen in verschiedenen Kontexten geführt
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Individuum: ständige Erreichbarkeit per Mail, mobile Multimedia-Nutzung (Videos, etc.), neue Apps/Services (z.B. Verkehr, Health, …)
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Organisation: Mitarbeiter bringen selbst neue IT mit ins Unternehmen (Bring-YourOwn-Device)
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Prozesse: Enterprise Apps (z. B. mobile Personalabteilung)
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Gesellschaft: digitale Kommunikation, digital divide, Folgen einer dauerhaften Erreichbarkeit
Informatik im Kontext: weitere Kontexte
Technische Großsysteme (z.B. Flugzeuge/ Raumsonde/ Rakete)
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Zunehmender Bedarf an Großsystemen macht die Weiterentwicklung von IT-Systemen erforderlich
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Die Abhängigkeit von IT-Systemen steigt
Cybersecurity
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Hacker
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01.10.2010: Computerwurm Stuxnet < politische und kriminelle Zwecke
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„Stuxnet ist angeblich die erste Software, die zur Sabotage von Industrieanlagen eingesetzt werden kann.“ [Spiegel Online, 01.10.2010]
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In technischen Großsystemen arbeiten eine Vielzahl von IT-Systemen zusammen
Moderne Flugzeuge wie der A-380 wären ohne IT-Systeme nicht steuerbar
Piloten verlassen sich auf die IT-Systeme und verlernen dadurch Fähigkeiten
Entwicklung neuer Flugzeuge ohne IT nicht denkbar (z.B. CAD, Stabilitätsberechnungen, Simulationen)
Wer hat in Notfallsituationen die Oberhand? Der Mensch, weil er flexibel reagieren kann oder die Maschine, die in Sekundenbruchteilen das Problem lösen kann (sofern bei der Programmierung diese Krisensituation vorausgedacht wurde)?
Fehler bei der Systementwicklung können dramatische Folgen haben


