
Ausgangssituation
Bis zum 19. Jahrhundert gab es die sogenannten Kontorarbeitsplätze. Dort bearbeiteten einzelne Personen größtenteils selbstorganisiert einen sehr großen Tei leiner Gesamtaufgabe. Die Formalisierung der Aufgaben war entsprechend gering. Eine Änderung entstand erst zum 20. Jahrhundert, als Henry Ford durch die Einführung des Fließbandes die Arbeitsweise revolutionierte. Ab dann hatten einzelne Personen einen einzelnen Arbeitsschritt auszuführen. Die gesamte Arbeit wurde sehr viel stärker formalisiert, wodurch es zusätzliche Arbeitsplätze gab, die die Organisation der Arbeit überwachten.
Unterschiede zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert in der Arbeitsteilung
Arbeit im 19. Jahrhundert
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Viele Arbeitsschritte für eine Person
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Geringer Grad der Formalisierung
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Selbstorganisation der Arbeit
Arbeit im 20. Jahrhundert
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Ein Arbeitsschritt pro Person
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Hoher Grad der Formalisierung
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Organisation der Arbeit durch Andere
Arbeitsteilung
Durch diese Revolution des Arbeitsplatzes ist es möglich, dass sich einzelne Personen auf bestimmte Arbeiten spezialisieren. F.W. Taylor und H. Ford formulierten dies so:
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Trennung von Hand- und Kopfarbeit:
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Die Leitung plant die Arbeit präzise, der Arbeiter konzentriert sich auf die präzise Ausführung.
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Arbeitsanalyse und -zerlegung:
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Der Arbeitsleiter verschafft sich durch Arbeitsanalyse Einblick in den Betriebsablauf und optimiert die Organisation durch Arbeitszerlegung, Standardisierung und Formalisierung und sich ständig wiederholende Arbeitsvorgänge.
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Der einzelne Arbeiter ist nicht relevant:
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Der Arbeiter soll nicht eigenen Vorstellungen des Arbeitsvollzuges folgen.
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Der gesamte Produktionsprozess soll auf möglichst hohe Effizienz optimiert werden:
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Abschaffung des vermeintlichen „Bummelsystems“ der Arbeiter und ihrer „Faustregeln“ sowie die Herstellung der Kontrolle des Managements über Arbeit und Arbeiter.
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Produktionssystem:
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Blick nicht auf den einzelnen Arbeiter, sondern auf das Produktionssystem.
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Ordne Werkzeuge wie Arbeiter in der Reihenfolge der bevorstehenden Verrichtungen.
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Material zum Arbeiter schaffen:
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Bediene dich der Gleitbahnen, damit der Arbeiter keinen Schritt machen muss (Fließband).
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Einflussnahme auf Marktprozesse:
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„Ich kann ein Auto in jeder Farbe liefern, sie muss allerdings schwarz sein“.
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Löhne verdoppelt, Arbeitszeit auf 8 Stunden reduziert.
Spezialisierung: Zerlegung der Arbeit in einzelne Schritte
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Gesteigerte Gewandtheit durch Spezialisierung
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Kein Zeitverlust durch häufiges Wechseln zwischen Aufgaben
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Neue Methoden und Maschinen durch Spezialisierung
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Geeignete Personen für spezifische Aufgaben
Entwicklung „hierarchischer Organisationen“
Die Spezialisierung durch Arbeitsteilung macht es nötig, dass es organisierende Einheiten gibt, die den Produktionsablauf steuern. Es hat sich das hierarchische Organisationsmodell herausgebildet. Dies ist ein Muster formeller und informeller Beziehungen. Kurz gesagt, werden alle Arbeiter in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt. Jeder Gruppe werden Gruppenleiter zugewiesen, den Gruppenleitern werden wiederrum Teamleiter zugewiesen usw. So entsteht eine Rangordnung der Autoritäten.

Man unterscheidet bei der hierarchischen Organisation einige wichtige Ebenen (von hoher Autorität zu niedriger Autorität):
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Strategische Spitze:
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Höchste/r Verantwortliche/r Sicherstellung des Auftrag Strategische Planung
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Technostruktur, Mittellinie, Hilfsstab:
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Technostruktur: Funktionsstellen, in denen Prozesse und Arbeitsabläufe definiert, analysiert und überwacht werden
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Mittellinie: Führungsfunktionen Management in allen Stufen Verbindung Strategische Spitze mit betrieblichem Kern
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Hilfsstab: alle zusätzlichen unterstützenden Funktionen außerhalb der wertschöpfenden Prozesse
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Betrieblicher Kern:
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Unmittelbar an der Erstellung des „Produkts“ Beteiligte Funktionsstelle, in der „produziert“ wird Wertschöpfung des Unternehmens
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Die ganze Organisation wird umgeben von der Ideologie des Unternehmens. Das ist ein ideeller Leitfaden, der bestimmen soll, auf welche Weise sich ein Unternehmen entwickelt.
Anordnung von Arbeitsschritten in Prozessen
Man versucht die Arbeitsschritte in einem Unternehmen in verschiedene Prozesse zu unterteilen (vgl. BPMN). Hier hat sich unter anderem das LRBWT-Modell entwickelt:

Anordnung von Arbeitsschritten in Prozessen
Eine Gesamtaufgabe, die durch mehrere Abteilungen gereicht wird, muss in jeder Abteilung erneut all diese Schritte durchlaufen. Die Transportzeiten sind dabei die Zeiten, die gebraucht werden, um die Aufgabe von einer Abteilung in die nächste zubringen.

Abbildung der Prozesse in IT-Systemen
Transformationsaufwand – Aufgaben – Codesign
Der Begriff Codesign bezeichnet den Transformationsaufwand für die Änderung betrieblicher Prozesse. Eine solche Transformation unterteilt man in unterschiedliche Bereiche:
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Technisch:
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Auswahl/Entwicklung und Test
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Integration und Test
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Prozessveränderung:
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Prozessanalyse – Ist-Zustand
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Redesign / Neudesign – Soll-Konzept (Standardisierung …)
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Transformation/Rollout/Produktivsetzung:
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Customizing des Systems und Test
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Schulungen der Endanwender
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Einführungsunterstützung, Support
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Wenn man ein System designt, ist es besonders wichtig nicht nur den Ist-Zustand zu berücksichtigen, sondern möglichst auch den Soll-Prozess für die Zukunft zu ermöglichen.
Beispiel: Codedesign im Krankenhaus
Die Aufnahme, Anamnese, Diagnose und Therapie eines Krankenhauspatienten muss in irgendeiner Weise organisiert werden. Früher wurde dies durch sehr viel Papierarbeit und besonders Telefonate geregelt. Mit der Bearbeitung eines Patienten waren unter Umständen über 15 Telefonate verbunden. Durch die Einführung digitaler Techniken konnte vieles vereinfacht werden. Die vielen Telefonate, die immer den Arbeitsfluss des angerufenen unterbrechen, konnten so entfallen. Auch die Termingestaltung konnte durch die Digitalisierung deutlich vereinfacht werden. In diesem Beispiel ist der Ist-Zustand die Verwendung von Telefonen. Als Soll-Konzept bieten sich hier verschiedene Konzepte an, die aber alle die Telefonate durch digitale Kommunikationswege ersetzen
IT-Entwicklung
Der Einsatz von IT kann also offensichtlich Arbeitsprozesse extrem verbessern. Seit den Anfängen der Automatisierung von Algorithmen in den 1960ern über die Großrechnersysteme ab 1970 bis hin zu den Abteilungssystemen und Privatrechnern hat sich die Automatisierung immer weiter verbessert.
Silos der Automatisierung
Eine Folge der Automatisierung sind die sogenannten Silos. Diese entstehen fast zwangsläufig daraus, dass der Informationsfluss sehr komplex (komplexer Informationsfluss) ist und es sehr aufwändig ist verschiedene Systeme und Daten miteinander zu integrieren (Fehlende Integration verschiedenster Systeme und Daten). Allerdings wird der Informationsfluss so nicht sonderlich vereinfacht und die Wartbarkeit des Gesamtsystems ist sehr gering.

Ein Ausweg ist die parallele Organisation in drei Ebenen:
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Struktur (Aufbauorganisation)
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Flachere Hierarchien
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Prozess (Ablauforganisation)
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Business Process Reengineering (BPR)
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Technologie (Informationssysteme)
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Enterprise Ressource Planning Systeme (ERP)
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Noch heute sind die Auswirkungen der ursprünglichen Silos an vielen Stellen der IT- Landschaft und Infrastruktur sichtbar. Besonders sieht man dies daran, dass es immer noch nötig ist Unmengen von
Netzwerkanschlüssen und Endgeräten zu betreuen. Dazu kommen noch mobile Geräte.

Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft
Der Wandel von der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft ist an den Zahlen klar erkennbar. 2014 betrug der Anteil der Dienstleistungen an der Bruttowertschöpfung Deutschlands über 68%. In den USA sogar über 75%. Ursprünglich waren Dienstleistungen meist dadurch ausgezeichnet, dass sie keinen materiellen Wert (Immaterialität) hatten. Außerdem hatten sie folgende Eingenschaften:
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Uno-actu-Prinzip
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Produktion und Konsumption sollen ohne Zwischenschritte gleichzeitig stattfinden.
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Dadurch werden Anbieter und Nutzer gemeinsam Teil der Dienstleistung.
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Heterogenität der Leistungen
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Dienstleistungen waren heterogen und kaum standardisierbar (z.T. schwierige bis unmögliche Standardisierung.)
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Zumeist begrenzte oder keine Lager- oder Transportfähigkeit
Primärer Sektor: Rohstoffgewinnendes Gewerbe (z.B. Landwirtschaft, Bergbau)
Sekundärer Sektor: Rohstoffverarbeitendes Gewerbe (z.B. Industrie, Bau)
Tertiärer Sektor: Dienstleistungsgewerbe (z.B. Handel, Finanzwesen)
Entwicklung: Verlagerung der Arbeit in Call-Center
Dies entwickelte sich am Anfang der 1970er Jahre in eine andere Richtung: Die Eröffnung von Call-Centern zusammen mit der Einführung von IT-Systemen sollte demZweck dienen, Arbeit in Niedriglohnländer zu verlagern und gleichzeitig die Kundenberatung zu verbessern.
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Erstes Call-Center: Anfang der 1970er Jahre bei Continental Airlines (USA)
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Unterschiedliche Ziele: Marketing, Kundenberatung
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Verlagerung der Arbeit in Niedriglohnländer
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Anbindung durch Informations und Kommunikationstechnologien
Call-Center und IT-Anwendungssysteme
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Automatic Call Distribution Systems
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Weiterleitung eines Anrufs an den nächsten freien Agenten
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Computer Telephone Integration
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Identifikation des Kunden, Datenladen bei Annahme des Telefongesprächs
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Customer Relationship Management
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Speichern der Transaktionsdaten, Anzeige von Historie etc.
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Interactive Dialogue Scripts
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Führung der Interaktion
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Automatic Dialers
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Beschleunigung des Anwählprozesses
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> Dies waren relevante Technologien für die Verlagerung der Arbeit in Niedriglohnländer und der gleichzeitigen Verbesserung der Kundenberatung in Call-Centern.
Call-Center und IT – Support versus Automatisierung?
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Interaktion mit Kunden
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Notwendigkeit zur Flexibilität, Kommunikationsfähigkeiten
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Interaktion physisch und psychisch belastend
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Support durch IT-Systeme notwendig
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Interaktion mit IT-Systemen
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Formalisierte Abfolgen für Dialoge und Eingaben
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Automatisierung der Tätigkeiten und Begrenzung der Flexibilität
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Folge
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Workarounds, um Komplexität und Unterschiedlichkeit in Kundendialog zu ermöglichen
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> Die Folge von Call-Centern war besonders, dass es viele Workarounds gab, um die Komplexität und Unterschiedlichkeit im Kundendialog zu ermöglichen. Es gab allerdings auch Schwierigkeiten, besonders bei der Kommunikation zwischen den Fachabteilungen und den Call-Centern:
Da das Call-Center die einzige Anlaufstelle für Kunden war, war es sehr aufwändig die Entscheidungsbefugnis direkt im Kundengespräch zu gewährleisten. Auch war häufig das nötige Fachwissen nicht vorhanden.
Schnittstellen zwischen Call-Centern und Fachabteilungen
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Call-Center Kunden-Schnittstelle
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Kundenanlaufstelle nur über Call-Center (bei wechselnden Ansprechpartnern)
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Bei komplexeren Dienstleistungen interne Weitergabe und Koordination an Fachabteilungen erforderlich, Fachabteilungen mit Entscheidungsbefugnis
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Probleme
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Organisationsbezogen: Dienstleistungen, die in Interaktion mit dem Kunden durch die Fachabteilungen durchgeführt werden
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Technisch: u.U. schlechte Integration unterschiedlicher Systeme im Call-Center und in Fachabteilungen
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Folgen
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Informationsfluss komplex, Kunden fehlen Ansprechpartner mit Entscheidungsbefugnis, Kunden erreichen ihre „direkten“ Dienstleister nicht
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Beispiel
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Umzugsservice bei Telekommunikationsanbietern, Probleme z.B.: Terminabsprachen mit Technikern/innen im Vor-Ort-Service
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Der (mit)arbeitende Kunde
In den letzten Jahren haben sich IT-Systeme drastisch verändert. Der Fokus ging von PCs mit grafischen Schnittstellen über das Internet bis hin zu Multimedia, eBusiness und eCommerce Angeboten. Eine direkte Folge daraus ist, dass der Kunde meistens viel stärker in den Geschäftsablauf eingebunden wird. Daraus entstand das Bild des (mit)arbeitenden Kunden. Zum Beispiel bei der DHL-Packstation oder den verschiedenen Reiseportalen im Internet nimmt der Kunde als Mitarbeiter eine sehr zentrale Rolle ein:
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Wandlung der Kunden vom Konsumenten zum unbezahlten Mitarbeiter
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Übertragung von Prozessschritten auf die Kunden
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Nutzung der Kunden als explizite betriebliche Wertquelle
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Entgrenzung von „Arbeit“ und „Leben“
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Aber auch höhere Wertschätzung für selbst entworfene oder zusammengebaute Produkte (IKEA-Prinzip)
Dieses Modell ist sehr erfolgreich.
Perspektiven des Kunden
Vorteile:
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24h Verfügbarkeit
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Einfache Dinge lassen sich direkt erledigen
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Individuelle Ergebnisse durch eigene Arbeit
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Individuelle Anpassung an den eigenen Lebensstil
Nachteile:
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Kompliziertere Dinge erfordern oft Fachwissen.
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Nicht-Informatiker können oft Sicherheitsrisiken nicht einschätzen.
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Älteren Menschen fällt die Umgewöhnung oft schwer.
Perspektiven des Unternehmens
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weniger Mitarbeiter
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Kosteneinsparungen
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günstigere Preise für die Kunden
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Reduzierung des Vor-Ort-Services
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Berücksichtigung der Kunden bei der Prozess- und IT-Gestaltung
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Laien als Akteure im Prozess
Perspektiven der Gesellschaft
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Arbeiten in der Freizeit
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Ausgrenzung von Älteren und Benachteiligten
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24-7-365 – Verfügbarkeit von Services = freie Zeiteinteilung
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Computer und Internet als Voraussetzung zur Teilhabe
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Unbezahlte Tätigkeit für Unternehmen
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Erhöhung der Produktivität der Unternehmen
Crowdsourcing
Ein Extrembeispiel für den mitarbeitenden Kunden ist das Crowdsourcing. Dabei setzt sich eine große Nutzerbasis für ein gemeinsames Ziel ein. Die Kunden arbeiten teilweise aktiv an der Entwicklung des Produktes mit. In Extremfällen sind sogar nur die Kunden für fast alle Prozesse verantwortlich (vgl. Unternehmen Threadless).
Threadless
„Das im Jahre 2000 in Chicago gegründete Unternehmen verkauft mit großem Erfolg ein einfaches Produkt: modische bedruckte T-Shirts, pro Monat mehr als 50.000 Stück. Das Besondere: Alle zentralen Aufgaben eines klassischen Modeunternehmens sind an die Kunden ausgelagert: Manche Kunden designen die T-Shirts, andere machen Verbesserungsvorschläge zu den Entwürfen“.
Crowdsourcing – Typen (Kleemann, Voß, Rieder 2008) - 1/2


Begriffe:
„Von Crowdsourcing […] ist dann zu sprechen, wenn Unternehmen zur Herstellung oder Nutzung eines Produktes bis dahin intern erledigte Aufgaben in Form eines offenen Aufrufes über das Internet auslagern“.